Dienstag, 13. März 2018

Macht und Ohnmacht in sozialen Berufen

Ich staune manchmal nicht schlecht - beim Gedanken daran, wieviel Macht mit meinem sozialen Beruf verbunden ist.
Ich treffe in meiner Arbeit vielfach Entscheidungen, die auf das Leben jener, die ich professionell begleite, einen maßgeblichen Einfluss haben können, möglicherweise auch haben. Ich entscheide dies und ich entscheide das. Ich tue dies und ich tue das. Und über all dem schweben stets meine Hoffnung und auch Überzeugung, den mir anvertrauten Klienten durch mein Zutun in irgendeiner Weise einen positiven Impuls gegeben zu haben. Hilfe zur Selbsthilfe eben - so wie ich es gelernt habe. Gelegentlich, mitunter auch häufig, mischt sich unter all das Positive jedoch auch ein Gefühl der Ohnmacht. War mein Handeln richtig? Oder hätte ich nicht doch anders verfahren sollen? Ich habe offenbar versagt. Zumal, ja zumal der Klient stagniert oder noch schlimmer, mehr Schritte zurück als nach vorne gemacht hat. Im nächsten Moment rufe mir dann allerdings ins Gedächtnis, dass dieser Rückschritt nicht unbedingt und zuvorderst auf meinem Mist gewachsen sein muss. Die Kirche eben im Dorf lassen und die Welt - getreu meinem Lebensmotto - mit zwei Augen sehen. Mindestens.
Die Rahmenbedingungen in sozialen Arbeitsfeldern haben sich schließlich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt. Ich bin geneigt zu sagen: verschlechtert! Uns Fach- und Führungskräften wird das Leben in unserem sozialen, helfenden Beruf wahrlich nicht leicht gemacht. Ja bisweilen nimmt unsere Arbeitspraxis immer mehr den Charakter von "Zuckerbrot und Peitsche" an. Will sagen: Die Zeiten sind rauer geworden - frostiger und voller Gegensätze, die sich verschärft haben. Auf der einen Seite sitzen, stehen oder liegen uns "Sozialprofis" Menschen gegenüber, die aufgrund ihrer Krankheit, Behinderung oder aus anderen Gründen auf unsere Hilfe hoffen und unseren Fähigkeiten vertrauen. Fähigkeiten, die uns letztlich ein Selbstbewusstsein  und eine Identität geben. Demgegenüber stellen wir aber auch mit Entsetzen fest: der Papiertiger, er wächst und wächst. Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem wohl "wichtigsten Faktor" in sozialen Berufen: dem Personal. Wohin man auch blickt, ob in die Schulen oder Kitas, die Krankenhäuser oder Pflegeheime: Allerorts wird das selbe Klagelied gesungen. Richtig: Wir haben zu wenig Personal. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar. Was von der neuen Bundesregierung in diesem Trauerspiel zu halten ist, bleibt abzuwarten.
Fazit: Macht und Ohnmacht liegen in einem sozialen Beruf oft nah beieinander. Da die Balance zu finden und zu halten, ist einer der wichtigsten persönlichen Schutzfaktoren für unsere Gesundheit.









Donnerstag, 8. März 2018

Die Dosis macht das Gift - auch beim Sport

Wenn es um die Frage geht, ob Sport für unsere Gesundheit eher dienlich oder doch vielmehr schädlich ist, spalten sich bekanntlich die Geister. Während die eine Fraktion den Slogan "Sport ist Mord" propagiert, hält die andere dagegen und betont die positiven Aspekte sportlicher Aktivitäten.
Ich persönlich ordne mich keiner der beiden extremen Fraktionen zu und halte es mit dem bekannten Zitat des Arztes Paracelsus: "Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift - allein die Dosis macht, das ein Ding' kein Gift ist". Will sagen: Die Art und Weise ist es, die auch beim Sport darüber entscheidet, ob ich eher gesund oder ungesund unterwegs bin - buchstäblich.
Hierzu mein Paradebeispiel, passend auch zum aktuellen eher noch umgemütlichen Wetter. Wenn ich für etwas ziemlich anfällig bin, dann sind es grippale Infekte oder auch die buchstäblich ätzende Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung). Auch aktuell habe ich die "Nase wieder mehr voll", so dass sich mein Bewegungsprogramm in der laufenden Woche bislang nur aus Spaziergängen und leichter Kraftgymnastik zusammensetzt.
Nun wurde ich in dem Zusammenhang schon oft gefragt, wie es denn sein kann, dass ich so häufig Probleme mit den oberen Atemwegen habe, sprich erkältet bin. Ich mache schließlich und vergleichsweise viel Sport. Das müsste mich doch abhärten. Die Frage ist sicherlich berechtigt, zumindest teilweise. Fakt ist, dass regelmäßiger Sport (vor allem im Ausdauerbereich) tatsächlich zu einer Verbesserung der Immunabwehr führen kann. Vorausgesetzt allerdings, dass er in einem Bereich stattfindet, den man als moderat bezeichnet. Die Intensität ist bspw. beim Laufen dann so gewählt, dass man sich noch problemlos dabei unterhalten kann oder könnte. Das stärkt dann eher unser Immunsystem. Darüber hinaus hat moderater Sport weitere vielfältige positive Auswirkungen auf unsere körperliche UND seelische Gesundheit: das Herz-Kreislauf-System kommt in Schwung, Stresshormone werden abgebaut, Knochen und Muskeln werden stärker sowie vieles andere mehr. Wird der Sport jedoch intensiv und umfangreich betrieben, wie das bei mir schon seit vielen Jahren oft der Fall ist, gefährdet das eher den Immunstatus. In der Folge ist man auch anfälliger für Viren und Bakterien. Besonders erstere sind verantwortlich für grippale Infekte, umgangssprachlich auch "Erkältung" genannt. Davon zu unterscheiden ist die sog. Grippe, die in jüngster Zeit bei uns wütete.
Fazit: Auch beim Sport sollte man genauer quasi mit zwei Augen hinsehen, bevor man zu vorschnellen, verzerrten Urteilen oder Meinungen gelangt.
Ist der Infekt oder gar die Grippe erst einmal ausgebrochen, dann sollte in jedem Fall auf Sport im Sinne von Training verzichtet werden - der Gesundheit zuliebe. Mir persönlich fällt das im Allgemeinen trotz gestiegenem "Gesundheitsbewustein" nicht leicht - auch wenn ich in dieser Hinsicht "mit den Jahren" schon etwas gelassener geworden bin. Besonders dann, wenn Wetter und Terminkalender ein sportliches Training zulassen, zieht es mich nun mal hinaus in die Natur. In meinen "besten Zeiten" (in den 2000er Jahren im Triathlonsport) habe ich oft auch zwei oder manchmal auch drei Mal trainiert - an einem Tag! Davon bin ich inzwischen weg. Man (n) wird ja nicht jünger :-) Die Zeiten heute sind andere - damit meine ich nicht nur meine Lauf- oder Schwimmzeiten. Dahingehend nämlich auch, dass ich mir vielmehr als in jüngeren Jahren die Frage stelle, wie ich in den Sport in mein Leben so einbauen kann, dass er nicht zur zusätzlichen Belastung (neben Arbeit und Privatem) werden kann. Denn darauf kommt es letztlich an. Ich habe nämlich oft die Erfahrung gemacht, dass gerade ein ambitioniertes sportliches Hobby nicht nur zusätzlichen positiven Stress bringen kann, sondern zusätzlich zum Arbeitsstress und zu privaten Angelegenheiten regelrecht zur Stressfalle mutieren kann. Die Macht der Gewohnheit zeigt sich auch hier, d.h. ich ertappe mich auch heute noch dabei, dass ich meinen sportlichen Ehrgeiz manchmal zu sehr ausreize. Mit der Folge, dass ich dann mehr Pausen einlegen muss, als ursprünglich vorgesehen. So wie in der aktuellen Woche. Das nervt mich dann. Trotz allem versuch ich auch "Zwangspausen" oder "Durststrecken" positiv zu werten - egal ob im Sport, im Beruf oder im Privaten. Ich bin überzeugt, dass manchmal nur ein gewisser "Leidensdruck" uns erkennen lässt, ob und in welcher Weise die Dosis das Gift macht.

Mittwoch, 7. März 2018

Krank zur Arbeit - ein No-Go

Ich kann mich auch heute noch (nach fast 20 Jahren) an einen Satz meines Klassenlehrers in der gymnasialen Oberstufe erinnern. Sinngemäß ging er wie folgt: "Der Uli, das ist so einer: der ist auch dann in der Schule, wenn er den Kopf unter seinem Arm trägt!"  Zugegeben, mein Klassenlehrer lag mit seiner sicher etwas überspitzten Aussage nicht im Unrecht. Ich war tatsächlich einer, der "grundsätzlich" gerne in die Schule ging. Auch, ja auch wenn ich mich gesundheitlich nicht gut fühlte und, nebenbei bemerkt, mit Mathe eher auf Kriegsfuß stand. (Umso mehr bin ich überrascht und auch stolz, dass ich ein vergleichsweise gutes Wirtschaftsabitur - und studium hinbekommen habe.) Man beißt sich eben durch. Auch im späteren Arbeitsleben. Man hat es schließlich so gelernt.
"Krank in der Arbeit", dieses in der Fachsprache mit dem sperrig anmutenden Begriff "Präsentismus" belegte Phänomen, ist in unserer modernen Arbeitswelt sehr verbreitet. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu den häufigsten zählt die Sorge oder gar Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Man schleppt sich förmlich krank zur Arbeit, da man sonst befürchtet, vom Arbeitgeber gekündigt zu werden.
Ein weiterer, besonders auch in sozialen oder helfenden Berufen anzutreffender Grund für Präsentismus ist das oft übertriebene Pflichtgefühl. Sätze und Gedanken wie "Die Kollegen im Stich lassen, das geht ganz und gar nicht" oder "Meine Arbeit bleibt liegen, wenn ich krank zuhause bleibe" sind nicht selten. Man muss nur mal mehr in sich hineinhorchen.
Die Liste mit Gründen, warum Menschen gerade auch in sozialen Berufen trotz Krankheit in der Arbeit präsent sind, ließe sich weiter fortsetzen. Ich verzichte aber an dieser Stelle darauf.
Worauf ich allerdings noch vehement hinweisen möchte, ist so einfach wie genial: Wer krank ist und dennoch am Arbeitsplatz erscheint, gefährdet letztlich sich und andere. Stichwort "Krankheit verschleppen". Stichwort "Andere anstecken". Stichwort "Wenig leistungsfähig". So weit so schlecht - sowohl für die Mitarbeiter als auch die Unternehmen. Mit anderen Worten: Präsentismus verursacht letztlich auch bei den Unternehmen hohe direkte und indirekte Kosten. Deshalb: besser nicht meinem jugendlichen Leichtsinn folgen und mit dem "Kopf unter dem Arm" die Arbeit verrichten (wollen). Auf der häuslichen Couch kuriert es sich einfach besser aus.

Last but not least noch ein kurzer Exkurs zum Thema "Krankheit und Kündigung" in meine doch recht "kurvenreiche" Arbeitsbiografie. Ich habe mich im Sommer 2015 bei einer neuen Arbeitsstelle nach ca. sechs Wochen für zwei Tage krankgemeldet (Diagnose: grippaler Infekt) und bekam noch während der Dauer der Krankschreibung prompt die Kündigung. Wenige Tage zuvor saß ich noch (bereits gesundheitlich angeschlagen) mit meinem Team zusammen und wir erstellten gemeinsam unseren Dienstplan für den jeweils nächsten Monat. In der Probezeit ist man diesbezüglich regelrecht"vogelfrei". Trotz allem fand ich die Kündigung nicht angemessen, was ich dem Arbeitgeber auch gesagt habe. Ich war gerade einmal zwei Tage abwesend, gesundheitsbedingt!




Anstrengung und Anerkennung in sozialen Berufen - keine Liebesehe!

Das Verhältnis von Leistung und Anerkennung ist in sozialen Berufen (Erzieher, Sozialarbeiter, Krankenpfleger, etc.) schon sehr merkwürdig, um nicht zu sagen paradox.
Einerseites bekommen wir "Sozialprofis" nicht zuletzt in unserer Ausbildung oder unserem Studium zu hören, wie wichtig es doch sei, unsere Klienten oder Patienten zu loben und wertzuschätzen - für Dinge, die sie gut und erfolgreich machen. Wenn es aber um uns geht, um unsere tagtägliche oft kräftezehrende Arbeit, habe ich persönlich den Eindruck, dass wir für unsere geleistete Arbeit eher zu wenig als zu viel Anerkennung und Wertschätzung bekommen.
Dagegen kann man nun halten, dass Anerkennung und Lob letztlich im Auge des Betrachters liegen - wie so vieles. Was für den einen viel bedeutet, kam dem anderen nie genug sein und vice versa. Das mag sicher sein. Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass die Arbeit in sozialen Arbeitsfeldern mehr Anerkennung und Wertschätzung verdient als es derzeit in Deutschland der Fall ist. Ich denke, dass ich damit die Meinung vieler teile. Am Arbeitsplatz selbst, aber auch in unserer Gesellschaft. Immateriell wie auch materiell (Vergütung). Wenn ein Sozialarbeiter nach seinen Studium 2500 Euro Brutto (Vollzeit) oder teilweise noch weniger im Monat verdient (das ist bspw. bei Bildungsträgern der Fall, im Rahmen der Begleitung sogenannter "Maßnahmen"), dann steht das in meinen Augen in keinem gerechten Verhältnis zu seiner Ausbildung und verantwortungsvollen, psychisch oft anstrengenden Tätigkeit.
Das Gefühl, bei seiner helfenden Arbeit nicht angemessen entlohnt zu werden, das kenne auch ich nur zu gut - wahrhaft kein schönes, wenn Arbeitseinsatz einerseits und Belohnung andererseits sich nicht die Waage halten. Auf Dauer erzeugt das ein chronisches Stressempfinden, was wiederum in Krankheit enden kann. Der Soziologe Prof. Siegrist bringt den Zusammenhang von Anstrengung ("Verausgabung") und Anerkennung in seinem Modell der Gratifikationskrise zum Ausdruck.
Zu den häufigsten stressbedingten Erkrankungen zählt der Burnout bzw. die Depression. Depressionen sind in vielen Fällen die Folge von Burnout.  Angehörige sozialer Berufe sind davon besonders häufig betroffen. Vor diesem Hintergrund plädiere ich für eine stärkere Wertschätzung sozialer Berufe in unserem Land. Wir müssen dabei im Grunde nur einen Blick über unsere Landesgrenzen hinweg werfen. Die skandinavischen Länder oder die Schweiz gehen diesbezüglich mit gutem Beispiel voran. Wer dort in der Altenpflege arbeitet oder Kinder betreut, der kann mit mehr gesellschaftlicher Anerkennung rechnen als hierzulande. Mit anderen Worten: unsere Klienten oder Patienten wollen und sollen gelobt sowie als Menschen wertgeschätzt werden. Wir aber auch! Als deren Betreuer, Helfer oder Förderer! Deshalb: mehr Lob und Anerkennung für die Sozialbeschäftigten in unserem Land. Auch mehr Eigenlob - er stinkt nämlich ganz und gar nicht.